Ernst Griesang - der erste Mann Pasings

Kriegsende in Pasing

Nachfolgenden Artikel finden Sie in ungekürzter und reich bebilderter Form auf 18 Seiten im Pasinger Archiv, Ausgabe 2001.

Erhältlich ist das Pasinger Archiv 2001
im Buchhandel (ISBN 3-9803442-8-2, ISBN neu 978-3-9803442-8-9) oder direkt beim

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Nachfolgend finden Sie diesen Bericht in gekürzter Form.

Dr. Ernst Griesang
Dr. Ernst Griesang

Wir müssen die Pasinger Geschichte neu schreiben! Solche Sätze hört man immer wieder, wenn jemand der Ansicht ist, etwas völlig Neuartiges entdeckt zu haben, etwas, das die Historie verändert. Einen derartigen Anspruch machen wir für uns nicht geltend, aber eine Kleinigkeit wollen wir doch neu erzählen. Wir versetzen uns zurück in die Tage unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg und erinnern an einen Mann, welchen heute kaum noch jemand kennt – ein Mann, der nur wenige Wochen in Pasing aktiv war und der doch eine wichtige Rolle spielte. Und wir erzählen aus der Zeit, in der er lebte: Dr. Ernst Griesang.

Pasing hatte eine harte und turbulente Zeit erlebt. Der letzte Akt der selbstständigen Stadt Pasing war der Bau des neuen Rathauses. Das alte Rathaus an der Bäckerstraße, welches 1901 als Feuerwehrhaus eröffnet wurde, war längst zu klein. Am 14. November 1937 wurde das neue Rathaus an der Landsberger Straße seiner Bestimmung übergeben. Für die Partei war dies ein willkommener Anlass, sich zu präsentieren: Fahnenschmuck an Straßen und allen Häusern, geschmückte Kraftwagen und Motorräder, Ehrenjungfrauen in antiken Gewändern und festliche Veranstaltungen. Gerade einmal ein halbes Jahr war es Oberbürgermeister Dr. Wunder gegönnt, mit seinem Stadtrat im Rathaus zu regieren. Am 31. März 1938 fand die letzte Sitzung des Rates der Stadt Pasing statt. Am 1. April 1938 wurde Pasing nach München eingemeindet, und Oberbürgermeister Dr. Wunder wurde in den Ruhestand versetzt. Seinen Posten übernahm ein Amtmann.

1939 begann der Zweite Weltkrieg, der auch Pasing und das Rathaus nicht verschonte. Der Westflügel wurde durch eine Luftmine am 19. Juli 1944 zerstört. Die ersten Bomben auf Pasing fielen im November 1940 in der Fritz-Reuter-Straße. Insgesamt wurden beim ersten Angriff auf Pasing und Obermenzing 49 Sprengbomben und 400 Stabbrandbomben abgeworfen. Aber dies war nur der Anfang. Tausende Bomben gingen nieder und zerstörten viele Gebäude (einen ausführlichen Bericht zu diesem Thema siehe Pasinger Archiv Ausgabe 1992). Am 29. April 1945 rückten amerikanische Panzer ein und erklärten München zur freien Stadt. Der Krieg war vorbei.

Die Leiden der Pasinger waren jedoch noch nicht vorbei: Plünderungen, Not, Hunger, zerstörte Häuser, Straßen und Verkehrswege sowie Beschlagnahmungen von Wohnungen und Häusern – mit all diesem mussten die Pasinger zurechtkommen. Unmittelbar nach dem Krieg hatten die Amerikaner die Herrschaft über die Verwaltung übernommen. Für die Stadtverwaltung hieß es so schnell wie möglich, wieder geordnete Zustände herzustellen. Nachdem die Verkehrsverbindungen schlecht und die Telefonleitungen teilweise unterbrochen waren, entschloss man sich im Münchner Rathaus, in den außen liegenden Stadtbezirken kommissarische Ortsverwaltungen einzurichten. Die Amerikaner benötigten jedoch hierzu die Unterstützung aus der Bevölkerung. Es war nicht ganz einfach, geeignete Personen zu finden. Viele waren im Krieg gefallen oder befanden sich noch in Kriegsgefangenschaft. Rechtsrat Söhnlein kam aus dem Felde nicht mehr zurück, und der frühere zweite Bürgermeister, Professor Hugo Fey, war von der Ausweichschule in Kreuth nicht abkömmlich. Andere waren durch Aktivitäten im Dritten Reich vorbelastet und schieden dadurch ebenfalls aus. Als Rathauschef wäre sicherlich Oberbürgermeister Wunder geeignet gewesen. Mit Geschick hatte er die Pasinger Belange in den vergangenen Jahrzehnten vertreten. Auch bewies er eine glückliche Hand in den Verhandlungen der Eingemeindungsfragen. Trotz seines Amtes zeigte sich der Parteilose nie in Uniform, sehr zum Missfallen der Parteigenossen. Der inzwischen 67-jährige Wunder stand jedoch aus Altersgründen nicht mehr zur Verfügung.

Alle Voraussetzungen für diese Position brachte Dr. Ernst Griesang mit. Geboren 1915 in Westfalen, führte ihn sein Studium in Medizin und Psychologie von Marburg nach München. Hier lernte er seine spätere Ehefrau Irmgard kennen, welche ab 1947/48 ebenfalls Psychologie studierte.

So kamen die Griesangs 1941 nach Pasing und zogen in das Rindle-Haus am Schlagweg 77 am südlichen Stadtrand Pasings, nur 50 Meter entfernt vom noch intakten Wald, dem Lochhamer Schlag. Das Wohnhaus war eine Besonderheit, da es als Versuchsbau errichtet war. Es war nicht in der üblichen Ziegelbauweise gebaut, sondern ganz aus Beton. Man wollte zeigen, dass Beton billiger zu verarbeiten sei und man gleichzeitig eine ausgezeichnete Tragkraft erreichen konnte. Die Pasinger witzelten, dass man dieses Haus nur aus Sicherheitsgründen so weit vom Ortskern entfernt gebaut habe, damit niemand zu Schaden käme, falls der Beton doch nicht halten würde. Nach dem Vorbesitzer hieß das Haus „Villa Krautheim“. Obwohl der Betonbau 30 Zentimeter dicke Wände hatte, war es doch im Winter „richtig saukalt“. Die im ersten Stock gelegene Wohnung hatte elf Fenster und war im Krieg kaum zu heizen.

Das bombengeschädigte Pasinger Rathaus, 1944

Am 14. April 1941 kam der Sohn Griesangs auf die Welt. Wie kurios die damalige Zeit war, zeigt das vergebliche Bemühen, die Nachricht der Geburt bekannt zu machen. Mutter Griesang war als junges Mädchen als Austauschschülerin in Finnland und wohnte dort bei ihrer Freundin Irmeli. Dabei lernte sie den in Finnland sehr gebräuchlichen Namen „Risto“ kennen. Dieser gefiel ihr so gut, dass sie beschloss, ihren Sohn ebenfalls so zu nennen. Vater Griesang schickte eine Geburtsanzeige nach Helsinki: „Risto heiß ich und bin am Ostermontag, den 14. April 1941 zur Welt gekommen.“ Er setzte hinzu: „Liebes Fräulein Irmeli, über den Risto werden Sie gewiss staunen, aber wir fanden keinen besseren Namen.“ Eine ganz normale Nachricht also. Zu aller Erstaunen kam dieser Brief geöffnet wieder zurück mit einem Stempel: „An Absender zurück. Die Sendung entspricht nicht der Verordnung über den Nachrichtenverkehr vom 2.4.1940.“ Beigefügt war ein Zettel:

Postverkehr mit dem nichtfeindlichen Ausland: (Post durch Absender mit Personalausweis auf dem Postamt aufliefern. Absender auf dem Briefumschlag vermerken. Briefmarken klebt der Postbeamte.) Folgende Postsendungen sind verboten:

1.
schwer oder nicht deutlich lesbare, z. B. in Geheim- oder Kunstsprachen, in Kurzschrift, mit Geheimtinte, in Hebräisch und in jiddischer Sprache.
2.
gefütterte Briefumschläge
3.
Ansichtskarten, aufgeklebte Photographien, Blindenschrift, Schachaufgaben, Kreuzwort- und andere Rätsel
4.
Drucksachen, Geschäftspapiere, Warenproben, Mischsendungen im nichtgeschäftlichen Verkehr
5.
Briefe nichtgeschäftlichen Inhalts, die 4 Seiten Umfang und das höchstzulässige Format 210 x 297 mm (= DIN A 4) überschreiten.

Auslandsprüfstelle Berlin

Unterstrichen waren: sind verboten, Ansichtskarten und Drucksachen.

Das Kriegsende verbrachten die Griesangs in ihrem Haus am Schlagweg. Sohn Risto erinnert sich noch heute, wie sein Vater am Fenster im ersten Stock stand und nach feindlichen Flugzeugen Ausschau hielt. Nachts hörte er ganz leise bei verschlossenen Fenstern die verbotenen Feindsender ab. Kam dann der Fliegeralarm, ging`s ab in den Keller, und die Mutter band dem kleinen Risto ein Kissen auf den Kopf, damit dieser bei einem eventuellen Einsturz des Hauses geschont sei. Heute kann Frau Griesang darüber lachen, wenn sie sich an die groteske Situation im selbstgebastelten Luftschutzkeller ohne besondere Schutzwirkung erinnert.

Das Kriegsende wollte Frau Griesang mit ihrem Sohn in Osttirol in Sicherheit abwarten. Ernst Griesang, alleine zu Hause, kam einmal in den Keller und überraschte dort zwei Amerikaner. Die Soldaten, gespickt mit Waffen, suchten dort nach Nützlichem. Als der Unerschrockene Griesang die beiden am Schlawittchen packte und hinausbeförderte, sollen sie vor Angst gezittert haben. Hinterher stellte sich heraus, dass eine kleine Reiseschreibmaschine und zwei kleine Pelzchen fehlten.

Nach Kriegsende wurde München von den Amerikanern regiert. Als nun die amerikanischen Stadthalter auf der Suche nach ihrem „Mann vor Ort“ waren, stießen sie auf Dr. Ernst Griesang. Nicht zuletzt wegen seiner Sprachkenntnisse, Griesang sprach fließend Englisch, und die „Amis“ meinten sogar, er könne seiner Aussprache nach aus Kalifornien stammen, war er der Geeignete. Die Amerikaner ernannten Ernst Griesang am 12. Mai 1945 zum „Bezirksbürgermeister für Pasing“. Er war nun Verbindungsmann zwischen den Pasingern und deren Anliegen sowie der amerikanischen Verwaltung im Münchner Rathaus. In Griesangs Terminkalender findet man am 14. Mai den Eintrag: „1. Ansprache als Bürgermeister.“

In den Nachkriegswochen hinkte die Bürokratie hinter den vollendeten Tatsachen hinterher, und so erhielt Griesang erst am 12. Juni 1945 folgendes Schreiben:

Im Anschluss an die Besprechung vom 8. 6. 45 bestätige ich Ihnen, dass Sie befugt sind, als kommissarischer Ortsverwalter Ihres Bezirks die zur Ausführung von anders nicht erfüllbaren Sofortaufgaben und Auflagen der Militärregierung sich ergebenden Verwaltungsmaßnahmen unmittelbar von dort aus zu treffen, sowie sonstige anders nicht behebbare Notstände zunächst in eigener Initiative zu beseitigen. Sie sind mir dabei für die ordnungsgemäße und den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Durchführung dieser Verwaltungsmaßnahmen verantwortlich. Wegen der Hilfspolizei verbleibt es zunächst bei den Ihnen von der Militärregierung und dem Polizeipräsidium jeweils zugehenden Weisungen. Diese Vollmacht gilt bis auf Weiteres. Oberbürgermeister, gez. Dr. Scharnagl.

Darunter stand folgender Passus in Englisch:

Bescheinigung. Dieser Mann ist einer der Bürgermeister von München, ernannt von der Militärregierung und dem Bürgermeister von München R. Scharnagl. Er hat die Erlaubnis, sich frei zu bewegen, um der Bevölkerung seines Bezirks Nahrung zu liefern. Wir bitten ihn ohne Schwierigkeiten passieren zu lassen.

Griesang musste sich um vieles kümmern. Da kamen Geschäftsleute, die Benzin benötigten für ihre Warentransporte, andere brauchten irgendwelche Genehmigungen oder Lizenzen. Griesang hatte auch hilfspolizeiliche Aufgaben zu erledigen. Ferner musste er sich um die Fürsorge kümmern, vorwiegend für Durchreisende und KZ–Häftlinge. Probleme bereiteten auch Quartierfragen sowie die Beschaffung ausreichender Nahrungsmittel. Es gab kaum ein Problem, welches nicht an Griesang herangetragen wurde. Zur Abwicklung seiner Geschäfte hatte er ein Büro im Pasinger Rathaus. Aus den zerbrochenen Fenstern des noch brauchbaren Gebäudeteils ragten noch aus dem zurückliegenden Winter die Ofenrohre, welche jedoch mangels Brennmaterial nicht geraucht hatten. Im Winter 44/45 saßen in den Zimmern die Beamten in dicken Mänteln. Auf dem Schreibtisch des Chefs war, wie damals eine Münchner Zeitung schrieb, die Tinte im Glas gefroren.

Anwesen Griesang am Schlagweg 77, 1943

Zur Durchführung seiner Arbeit hatte Ernst Griesang von den Amerikanern einen Passierschein erhalten, gedruckt auf der Rückseite einer alten Landkarte. Hierin stand:

Der Inhaber dieser Karte ist als Einwohner von der Stadt München vorschriftsmäßig registriert und es ist ihm strengstens verboten, sich von diesem Platz zu entfernen. Zuwiderhandlung dieser Maßnahme führt zu sofortigem Arrest. Der Inhaber dieses Scheines hat diesen Ausweis stets mit sich zu führen.

Obwohl Griesang ja ein Pasinger Neubürger war, kam er bei den Bürgern gut an. Dies lag sicherlich nicht nur an seiner geschickten Art, sondern auch daran, dass sich viele Vorteile von einem guten Draht ins Rathaus versprachen. So kam es auch zu der Geschichte mit dem Dienstwagen. Einst besaß Griesang ein DKW–Meisterklasse–Cabrio, ein schnittiges Gefährt, welches 1943 ersatz- und entschädigungslos von der Wehrmacht eingezogen wurde. Aber da war ja Alfred Ludwig, der Kalenderfabrikant aus Pasing. Jahrzehntelang betrieb er die Firma ALUPA (Alfred Ludwig, Pasing) an der Lackerbauerstraße. Wirtschaftlich muss es ihm nicht schlecht gegangen sein, denn sonst hätte er sich nicht einen so luxuriösen PKW leisten können, einen Opel Kapitän Kabriolett. Alfred Ludwig hatte jedoch Angst, dass die Amerikaner sein Auto beschlagnahmen könnten, und so kam er auf die Idee, das Fahrzeug kostenlos Ernst Griesang für seine Amtstätigkeit zu überlassen. Dadurch war das Auto einem eventuellen Zugriff entzogen, und gleichzeitig war ein guter Zweck erfüllt.

Griesang, der selbst noch ein Motorrad besaß, hatte nun wieder ein Auto, welches er auch privat nutzen durfte. In seinem Tagebuch vermerkte er unter „Dienstliches“: „9. Juli 1945, 1. Fahrt mit dem neuen Kapitän.“ Bereits einige Jahre zuvor lernte Griesang den Komponisten Josef Suder während eines Spiels auf dem Tennisplatz an der Maria-Eich-Straße kennen. (Der Platz wurde bewirtschaftet vom Tennisverein Grün-Weiß, dessen Vorstand Josef Suder war. Nach Kriegsende musste Suder dieses Amt abgeben, da er PG (Parteigenosse) war. Die Stadt verpachtete die Plätze nun an Herrn Kempf. Zum Leidwesen vieler musste der Tennisplatz Ende der 60-er Jahre dem Neubau des Schulzentrums und des damaligen Park – Hotels weichen.) Zwischen den Familien Suder und Griesang entwickelte sich eine Bekanntschaft. (Porträt Josef Suder siehe Pasinger Archiv Ausgabe 1993.) Einmal kam es, dass Griesang die Familie Suder mit seinem Auto aus Reichenhall abholen musste. Unter „Privates“ schrieb Griesang in sein Tagebuch: „22. Juli 45, Start nach Reichenhall. Hole Suder. Baden im See, viele Stechmücken; mit Suder, Gepäck und Bohnenkaffee heim.“ Griesang, bekannt als sportlicher Fahrer, chauffierte das Auto so rasant über die Voralpenstraßen, dass es dem hinten sitzenden Suder derart übel wurde und er sich heftig übergeben musste.

Nach dem Krieg wandte sich Suder mit einem Schreiben an Griesang, in welchem er ihn bat, ihm bei der Entnazifizierung behilflich zu sein. Auszugsweise hieß es hierin:

Ich habe nämlich etliche 20 (!) Fragebögen auszufüllen, und, da ich von mehreren Seiten auf den Nutzen eines „Leumundszeugnisses“ oder ähnlichem hingewiesen wurde, wollte ich Sie bitten, mir etwas dergleichen auszustellen. Ich dachte mir, dass dies enthalten sollte: Dass ich seit 30 Jahren in Pasing ansässig bin, friedlich und ehrbar, und dass Sie meine Gesinnung seit mehreren Jahren kennen zu lernen Gelegenheit hatten, sowie dass ich ein grundbiederer Künstler bin. Dass ich mich nie politisch betätigt habe und außer meiner Parteimitgliedschaft vom Mai 33 keinen belastenden Gliederungen angehört habe. (Reichsmusikkammer, N.S.V. Reichsluftschutzbund, Reichsbund f. Leibesübungen. - alles ohne Ämter!)

Wenn Sie die Güte hätten, mir dies mit einigen Durchschlägen recht bald auszustellen und mit einem schönen Dienststempel zu besiegeln, wäre ich Ihnen herzlichst dankbar. Hoffentlich sind Sie inzwischen energisch auf dem Weg der Besserung! Mit herzlichen Grüßen auch Ihrer verehrten Gemahlin und allen guten Wünschen Ihr Jos. Suder.


Ob und in welcher Form Griesang dieser Bitte nachkam, ist uns nicht bekannt.

Wenn Ernst Griesang abends nach Hause kam, erzählte er nicht sehr viel von seiner verantwortungsvollen Arbeit. Er war bereits körperlich schwer gezeichnet, denn sein Herzfehler entwickelte sich zu einer Herzentzündung. Griesang wurde bettlägerig und führte noch kurze Zeit seine Geschäfte vom Krankenbett aus. So war es ihm ganz recht, dass die Amerikaner die Tätigkeit der Ortsverwaltungen am 10. August 1945 wieder einstellten. So schrieb der Oberbürgermeister der Stadt München im August 1945 an Dr. Griesang:

Als nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen die Verwaltung der äußeren Stadtteile zunächst erheblichen Schwierigkeiten begegnete, hatten Sie sich liebenswürdigerweise bereit erklärt, durch Übernahme der Ortsverwaltung in Ihrem Stadtteil die vorhandenen städtischen Dienststellen zu unterstützen. Seither sind nunmehr durch die Entwicklung der Verhältnisse, insbesondere das Wiederingangkommen des Verkehrs und die Verstärkung der normalen Verwaltung und Polizeidienststellen die anfänglichen Schwierigkeiten, welche insbesondere in den äußeren Stadtteilen bestanden, weitgehend behoben oder doch gemildert worden, so dass die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung einer Doppelverwaltung in diesen Stadtbezirken nicht mehr besteht. Aus diesem Grund ist auch bereits eine Reihe von Ortsverwaltern mit der Bitte an mich herangetreten, sie von ihrer Aufgabe wieder zu entbinden. Aufgrund der gegebenen Situation und im Interesse der Klarheit und Einheitlichkeit des Aufbaus der Stadtverwaltung sehe ich mich nunmehr veranlasst, die Tätigkeit der Ortsverwaltungen allgemein zu beenden und ziehe die Ihnen erteilten Vollmachten zur Führung der Ortsverwaltung hiermit zurück. Wegen der Abwicklung Ihrer Verwaltungsgeschäfte bitte ich Sie mit der für Ihren Stadtteil zuständigen Bezirksinspektion in Verbindung zu treten. Bei noch offenen Zweifelsfragen bitte ich die Direktion der Bezirksinspektionen einzuschalten.

Ich nehme nochmals Gelegenheit, Ihnen für die Initiative und Tatkraft, die Sie in schwerer Zeit der Stadt München gewidmet haben, den besten Dank der Stadtverwaltung zum Ausdruck zu bringen. Ich darf hoffen, dass gerade aus den Reihen der Ortsverwalter sich auch weiterhin Kräfte finden werden, welche gegebenenfalls bereit sind, an den Verwaltungsaufgaben der Stadt auch in Zukunft mitzuarbeiten.

Oberbürgermeister (Dr. Scharnagl)


Im Februar 1946 verstarb Dr. Ernst Griesang. Er war nicht einmal 31 Jahre alt. An der Beerdigung im Pasinger Friedhof nahmen viele Pasinger, in erster Linie Geschäftsleute, teil. Es wurde jedoch keine einzige Traueransprache gehalten. Nicht einmal ein Vertreter der Stadt ergriff das Wort. Komponist Josef Suder arrangierte den musikalischen Rahmen, wobei auch ein Lied von ihm gesungen wurde. Das Grab ist noch bis heute erhalten und liegt im alten Teil des Pasinger Friedhofes.

All dies ist lange her. Über ein halbes Jahrhundert ist inzwischen vergangen. Den Namen Griesang und dessen Schaffen für Pasing kann heute niemand mehr zuordnen. Zu Beginn dieses Berichts schrieben wir, die Geschichte Pasings neu erzählen zu müssen. Überall in der Literatur, sei es in der Festschrift zum 1200-jährigen Bestehen Pasings oder in verschiedenen Zeitungsberichten, lesen wir, dass der erste Verwaltungsmann im Pasinger Rathaus Direktor Hans Töpfer war. Auch wir unterlagen in der Ausgabe 1988 der Reihe Pasinger Archiv diesem Fehler. Heute wissen wir es besser – und Sie natürlich auch: Dr. Ernst Griesang – das war der erste Mann Pasings nach dem Krieg!

Eigentlich wäre alles erzählt - ist es aber nicht! Wir erzählen eine amüsante Geschichte, welche sich im Jahre 1941 zutrug und in deren Mittelpunkt Ernst Grieang steht. Wer wissen möchte, warum fünf Meter Fahrt auf der Stange bis nach Frankreich führten findet die Lösung im

Pasinger Archiv, Ausgabe 2005
ISBN 3-9807980-2-x, ISBN neu 978-3-9807980-2-0).

Den vollständigen und ungekürzten obigen Bericht finden Sie im Pasinger Archiv, Ausgabe 2001.

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