Eingemeindungsvertrag der Stadt Pasing



Unterzeichnung des Eingemeindungsvertrages, Mitte Münchens OB Fiehler, rechts Pasings Oberbürgermeister Dr. Wunder, 8. Januar 1938

2008 waren es genau 70 Jahre her, als Pasing aufhörte, selbständige Stadt zu sein. Es war ein Filetstück, das sich München mit der sanften Zwangseingemeindung aneignete. Für Pasings Oberbürgermeister Dr. Wunder war es nicht einfach, unter den damaligen politischen Verhältnissen die für Pasing günstigsten Vertragsbedingungen auszuhandeln. Dennoch verstand er es, verschiedene Vergünstigungen herauszuhandeln, von welchen wir heute noch Nutzen ziehen. Über die Zusammenhänge der Eingemeindung und die dazugehörigen Feierlichkeiten haben wir bereits berichtet. (vergl. Pasinger Archiv, Ausgabe 1988). Gerne verweisen die Pasinger bei der Durchsetzung ihrer Forderungen auf den Eingemeindungsvertrag und die Ansprüche, welche Pasing an die Stadt München hat. In einer umstrittenen Entscheidung erklärte die Regierung von Oberbayern im Jahre 2005 den Eingemeindungsvertrag für ungültig. In Pasing sieht man dies bis heute anders.

Nachfolgend der Eingemeindungsvertrag der Stadt Pasing in leicht gekürzter Form.

Den genauen Wortlaut des Eingemeindungsvertrages in ungekürzter Fassung finden Sie im Pasinger Archiv, Ausgabe 1997

Vertrag über die Eingemeindung der Stadt Pasing in die Hauptstadt der Bewegung München, abgeschlossen zwischen dem Oberbürgermeister der Hauptstadt der Bewegung und dem Bürgermeister der Stadt Pasing als den Endesunterzeichneten, am Samstag, den 8. Januar 1938 im Rathaus zu München

Die gewaltigen städtebaulichen Aufgaben, welche der Führer der Hauptstadt der Bewegung gestellt hat, besonders die Neugestaltung des Münchener Hauptbahnhofes, der Ausbau Münchens als Wohn- und Gartenstadt in einer der Bestimmung als Hauptstadt der Bewegung und der deutschen Kunst würdigen Weise bedürfen einer großzügigen Planung, die im Interesse der Einheitlichkeit der Maßnahmen notwendig über den derzeitigen Burgfrieden der Stadt München hinausgreifen müssen.

Der Oberbürgermeister der Hauptstadt der Bewegung und der Bürgermeister der Stadt Pasing haben daher beschlossen, die Eingliederung der Stadt Pasing in die Hauptstadt der Bewegung mit Wirkung vom 1. April 1938 ab dem Herrn Reichsstatthalter in Bayern vorzuschlagen. Sie sind überzeugt, daß diese Maßnahme im Hinblick auf die erwähnten großen Aufgaben der Hauptstadt der Bewegung notwendig sind, obwohl die aufblühende Stadt Pasing - innerlich völlig gesund und in aufsteigender Entwicklung - imstande wäre, ihre Selbständigkeit aufrechtzuerhalten.

§ 1) Rechtsnachfolge und neue Verwaltung

Die Hauptstadt der Bewegung wird Rechtsnachfolgerin der Stadt Pasing. Das gesamte Vermögen der Stadt Pasing geht mit der Eingliederung auf die Hauptstadt der Bewegung über, die ihrerseits alle privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Lasten und Verbindlichkeiten der Stadt Pasing übernimmt. Das Münchener Ortsrecht tritt in der eingegliederten Stadt Pasing mit dem 1. Oktober 1938 in Kraft, soweit nicht besondere Bestimmungen dieses Vertrages etwas anderes enthalten. Die Hauptstadt der Bewegung wird beim Reichsstatthalter und der Landesregierung beantragen, das Inkrafttreten der Münchener Bauordnung für Pasing bis einschließlich 30. September 1938 auszusetzen und während der Weitergeltung der bayerischen Bauordnung die Lokalbaukommission der Hauptstadt der Bewegung als Baupolizeibehörde an die Stelle des Bezirksamtes treten zu lassen. Dem Oberbürgermeister bleibt es vorbehalten, in besonderen Fällen auch vor dem 1. Oktober 1938 die in Pasing bestehenden Vorschriften zu ändern oder aufzuheben. Der Oberbürgermeister kann nach Bedarf auf Grund allgemeiner Regelung weitere Ausnahmen in der Anwendung der Vorschriften, Satzungen usw. der Stadt München dahingehend machen, daß diese nicht in allen Teilen oder erst nach dem 1. Oktober 1938 in der eingegliederten Stadt Pasing durchgeführt werden.

§ 2) Rechte und Pflichten der Einwohner der Stadt

Die Einwohner der Stadt Pasing haben nach der Eingemeindung grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten wie die übrigen Einwohner der Hauptstadt der Bewegung.

Soweit aus diesem Vertrage und den dazugehörigen Erläuterungen sich für die Einwohner der Stadt Pasing Vergünstigungen ergeben (vgl. insbesondere §§5, 7 und 15), gelten diese nur für Personen, die vor dem Zeitpunkt der Eingemeindung, d. h. vor dem 1. April 1938, bereits Einwohner der Stadt Pasing waren. Das Gleiche gilt entsprechend auch, soweit sich diese Vergünstigungen unmittelbar auf die gewerblichen und sonstigen Unternehmungen und Betriebe erstrecken.

§ 3) Amtsverkehr

Um den berechtigten Wünschen Pasings nach einer orts- und volksnahen Verwaltung entgegenzukommen, erhält Pasing (innerdienstlich Hauptstadt der Bewegung, Stadtteil Pasing) eine „Bezirksverwaltungsstelle“. Die Bezirksverwaltungsstelle Pasing ist Außenstelle für die Münchener Zentralstellen; sie gliedert sich - soweit dies zweckmäßig ist - in die der Zentralstelle entsprechenden Abteilungen. Ihr obliegt die örtliche Überprüfung und Vorbereitung, in laufenden Angelegenheiten auch die Entscheidung im Rahmen der Geschäftsanweisung für die Verwaltung der Stadt München. Sie untersteht dem Oberbürgermeister oder seinem allgemeinen Stellvertreter und arbeitet nach den allgemeinen oder für den Einzelfall erteilten Weisungen der einzelnen Dezernate, unbeschadet des Rechts des Oberbürgermeisters und seiner Stellvertreter, auch Einzelfälle an sich zu ziehen.

Insbesondere werden innerhalb der Bezirksverwaltungsstelle Pasing folgende Dienststellen gebildet: eine Zweigstelle des städtischen Bestattungsamtes, ein Standesamt, eine Wohlfahrtsstelle, eine Außenstelle des Stadtbauamtes - Abteilung Hochbau -, sowie ein eigener Straßenbaubezirk. Ebenso wird bei der Bezirksverwaltungsstelle eine Hilfskasse errichtet. Aus der Errichtung einer Hilfskasse kann jedoch keine Verpflichtung der Hauptstadt der Bewegung zu einer Zentralisierung der gesamten Finanzverwaltung der Bezirksverwaltungsstelle Pasing abgeleitet werden. Ferner bleibt die Pasinger Stadtgärtnerei als Zweigstelle der Stadtgartendirektion bestehen. Die städt. Gas- Wasserwerke errichten in Pasing eine Unterabteilung, auf die alle Arbeiten, die im Rahmen des jeweiligen Gesamtbetriebs der Werke unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit dezentralisiert werden können, übertragen werden.

Ferner soll in Pasing ein Büro der Lokalbaukommission errichtet werden, in dem der zuständige Bezirksreferent der Lokalbaukommission nach Bedarf Sprechstunden abhalten wird.

Der Oberbürgermeister behält sich vor, aus organisatorischen Gründen die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsstelle, sowie den Aufgabenkreis und die Zahl der oben aufgeführten Dienststellen zu vergrößern oder einzuschränken, sichert aber zu, in Pasing in vergleichbarem Umfange die gleichen Dienststellen aufrechtzuerhalten, wie sie für andere Stadtgebiete bestehen, insbesondere auch, soweit es sich um die im Zuge der gegenwärtigen Eingemeindung einzugliedernden Stadtgebiete handelt.

Erläuterung:
Grundsatz für die Geschäftszuweisung an die Bezirksverwaltungsstelle soll sein:

1 .Der Weg der Bevölkerung zur Amtsstelle soll nicht vergrößert werden.
2. Die Entscheidungen in laufenden Angelegenheiten sollen in der Bezirksverwaltungsstelle fallen.
3. Der Zusammenhang der Verwaltung soll auch in der Bezirksverwaltungsstelle gewährleistet sein.

Der Leiter der Verwaltungsstelle soll ständig Fühlung mit allen Kreisen der Bevölkerung halten.

§ 5) Steuern und Abgaben

Die Münchener Bürgersteuer tritt in Pasing am 1. Januar 1943, die Fremdenverkehrsabgabe am 1. April 1943 in Kraft.

Die Vergnügungssteuer wird bis 1. April 1943 nach der Pasinger Übung gehandhabt.

Der Hebesatz der Gewerbe- und der Grundsteuer ist bis 31. März 1943 um den Unterschied geringer, der sich für das Rechnungsjahr 1937, bzw. 1938 aus den Festsetzungen für die Hauptstadt der Bewegung und Pasing ergibt.

Für Fleisch- und Trichinenschau verbleibt es bis zur Einführung des Schlachthofzwanges bei den Pasinger Sätzen.

Die in Pasing nicht bestehende Konzessionssteuer wird in Pasing vom 1. Oktober 1938 erhoben.

Die Hundeabgabe beträgt in Pasing bis 31. März 1941 für Hunde, die bei Eintritt der Hundeabgabepflicht im künftigen Stadtteil Pasing gehalten werden, 15 RM, für Einöd-, Schäfer- und Forstschutzhunde 7,50 RM und für Züchterhunde 10,00 RM für jeden Hund. Ab 1. April 1941 gelten die Münchener Sätze.

§ 6) Sparkasse

Der Oberbürgermeister der Hauptstadt der Bewegung und der Bürgermeister der Stadt Pasing werden als Vorsitzende der Verwaltungsräte der Städt. Sparkasse München, bzw. der Stadtsparkasse Pasing darauf hinwirken, daß die beiden Sparkassen gemäß Art. 17 des Sparkassengesetzes mit Wirkung vom 1. April 1938 in der Weise vereinigt werden, daß die bisherige Stadtsparkasse Pasing mit dem Sitz in Pasing als Hauptzweigstelle der Städt. Sparkasse München unter weitestgehender Belassung ihrer bisherigen Befugnisse nach noch zu treffender Vereinbarung weiterbestehen wird, während die bisherigen Zweigstellen der Stadtsparkasse Pasing, Aubing und Solln, unmittelbar der Direktion der Städt. Sparkasse München unterstellt werden.

Die Hauptstadt der Bewegung wird als Gewährträgerin besorgt sein, für die zukünftige Hauptzweigstelle (Pasing) der Städt. Sparkasse München zweckentsprechende Räume zu beschaffen.

§ 8) Freiwillige Feuerwehr

Den Feuerschutz im zukünftigen Stadtteil Pasing übernimmt grundsätzlich die Berufsfeuerwehr München. Die freiwillige Feuerwehr Pasing wird nach der Eingemeindung als besondere Abteilung in die freiwillige Feuerwehr München eingegliedert werden und dieselbe Förderung genießen, wie die anderen Abteilungen der freiwilligen Feuerwehr Münchens.

§ 9) Freiwillige Sanitätskolonne Pasing

Gegen den Fortbestand der freiwilligen Sanitätskolonne Pasing und ihre Betätigung in dem bisherigen Umfange wird seitens der Hauptstadt der Bewegung keine Erinnerung erhoben.

§ 11) Schulwesen

Der Neubau des geplanten Schulhauses mit Turnhalle und Sportplatz wird als vordringlich anerkannt. Die Leistungen, welche bisher die Stadt Pasing für ihre höheren Schulen vorgenommen hat, werden von der Hauptstadt der Bewegung übernommen, soweit die künftige Reichsschulgesetzgebung nichts anderes vorsieht. Bei entsprechender Entwicklung dieser Schulen wird ein weiterer Ausbau gewährleistet. Bei einem Wegfall der höheren Mädchenschule des Instituts der Englischen Fräulein oder der Grotschule wird die Stadt München für einen Ersatz durch eine staatliche oder städt. Anstalt besorgt sein. Bei Bedarf wird München in Pasing eine allgemeine Berufsschule errichten. Die Aufrechterhaltung und der Ausbau der sonstigen

§ 12) Kunst, Wissenschaft und Volksbildung

Die bisherigen Leistungen der Stadt Pasing (Schulbibliotheken, Handbücherei und Bilderankäufe) werden von der Hauptstadt der Bewegung im entsprechenden Verhältnis der Gesamtaufwendungen, welche die Hauptstadt der Bewegung für solche Zwecke macht, fortgeführt.

§ 16) Verwendung von Gemeindemitteln zum Ausbau de

Soweit es sich bei den auf die Hauptstadt der Bewegung übergehenden Aufgaben nicht um solche handelt, die auf Gesetzen oder Verträgen beruhen oder ihrer Natur nach zwangsläufig sind, verpflichtet sich die Hauptstadt der Bewegung auf die Dauer von 5 Jahren, bei Aufstellung ihres Haushaltplanes alljährliche Ausgabenmittel in Höhe für das ehemalige Gebiet der Stadt Pasing bereitzustellen, die die Stadt Pasing bisher aus allgemeinen Deckungsmitteln bereitstellte; in Frage kommen hier insbesondere die Aufwendungen für das Bau- und Schulwesen, für den Verkehr, für die Stadtverschönerung und Förderung der Wirtschaft. Diese Verpflichtung gilt als im wesentlichen dann erfüllt, wenn in den nächsten 5 Jahren die in der anliegenden Zusammenstellung aufgezählten Straßen und Anlagen ausgeführt sind. Diese Verpflichtung gilt in ihrem vollen Umfange nur insoweit, als nicht eine rückgehende Wirtschaftskonjunktur eine Zurücksetzung der Haushaltsausgaben für derartige Zwecke notwendig macht und dadurch der Stadtteil Pasing in einem unvertretbaren Maße vor den übrigen Stadtteilen bevorzugt würde.

Die Gemeindeanstalten: Stadtentwässerung, Hausunratabfuhranstalt, Straßenreinigungsanstalt, Feuerlöschwesen, Bestattungsamt und Stadtgärtnerei werden in der Betreuung des neuen Stadtteils Pasing keine unterschiedliche Behandlung eintreten lassen und für die nicht gesetzlichen Aufgaben dieser Gemeindeanstalten im neuen Stadtteil Pasing diejenigen Anwendungen durchführen, die die Stadt Pasing bisher schon als Mindestaufgabe erkannte. Die selbständigen Betriebe und Unternehmungen, wie die Gas- und Wasserwerke, werden dem Ausbau des Gas- und Wassernetzes im neuen Stadtteil Pasing mindestens die Aufmerksamkeit zuwenden, die die Stadt Pasing bisher auf diesem Gebiet pflegte; die Betreuung der Lebensmittelmärkte im neuen Stadtteil Pasing wird in unvermindertem Maße gefördert werden.

§ 17) Rechte Dritter

Dritte Personen erwerben aus diesem Vertrag keine Rechtsansprüche gegen die Vertragsschließenden.


Pasing, 8. Januar 1938
(Der Oberbürgermeister der Stadt Pasing gez. Dr. Wunder, Oberbürgermeister)

München, 8. Januar 1938
(Der Oberbürgermeister der Hauptstadt der Bewegung , gez. Fiehler)

Den genauen Wortlaut in ungekürzter Fassung finden Sie im Pasinger Archiv, Ausgabe 1997




Pasings einziger Oberbürgermeister Dr. Wunder in seinem Auto

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